Jährlich 60 Prozent Wachstum und
klassischer IPO: Das sind die Börsenpläne
der Solarisbank
24 October 21
Der Berliner Fintech-Dienstleister setzt auf einen Börsengang jenseits von Frankfurt. Zuvor muss das Unternehmen aber vor allem in einem Bereich noch besser werden.

Berlin. Die Solarisbank bereitet sich auf einen Börsengang vor. Im dritten Quartal 2022 könnte es so weit sein, erklärt Vorstandschef Roland Folz im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Bis zur Jahresmitte wollen wir IPO-ready sein.“

Die Solarisbank hat bei der jüngsten Finanzierungsrunde 190 Millionen Euro eingesammelt und wurde mit 1,4 Milliarden Euro bewertet.

Sollte das Berliner Finanztechnologie-Start-ups an die Börse gehen, wäre es der mit Abstand größte IPO eines deutschen Finanztechnologie-Start-ups (Fintech) seit vielen Jahren. 2018 erlöste der Online-Kreditvermittler Creditshelf beim Gang aufs Parkett gut 16 Millionen Euro. Die Solarisbank hat bei der jüngsten Finanzierungsrunde 190 Millionen Euro eingesammelt und wurde mit 1,4 Milliarden Euro bewertet, wie die Bank Ende Juli bekannt gab.
Seitdem gelten die Berliner als „Einhorn“ – also als Unternehmen, das mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet ist.
Vor einem Börsengang müssten aber noch einige Bedingungen erfüllt werden. So müsste unter anderem die Umstellung auf den Rechnungslegungsstandard IFRS abgeschlossen werden, außerdem weitere Optimierungen bei den betrieblichen Prozessen und dem Kampf gegen Finanzkriminalität, der Compliance
Die Solarisbank bietet ihre Banklizenz anderen Fintechs an, die so schneller auf Kundenfang gehen können. Finanzdienstleistungen können Letztere unter eigener Flagge anbieten, im Hintergrund steht immer die Solarisbank. Ein Geschäft mit Potenzial: 2022 soll die Bank ihren Ertrag weiter steigern auf rund 150 Millionen Euro, sagt Folz. Das wäre ein deutliches Wachstum: 2021 wird die Bank laut Folz voraussichtlich auf einen Ertrag von mehr als 90 Millionen Euro kommen – einschließlich der Erträge des kürzlich übernommenen Wettbewerbers Contis. 2020 kam man noch auf 35 Millionen Euro.

Pro Jahr um 80 bis 90 Prozent gewachsen – aber nicht profitabel

„Wir sind in den vergangenen Jahren um rund 80 bis 100 Prozent pro Jahr gewachsen. Für die Zukunft haben wir uns als Wachstumskorridor 40 bis 60 Prozent vorgenommen“, sagt der Chef der Solarisbank. Allerdings wird die Bank 2021 und wohl auch darüber hinaus nicht profitabel sein. „Wir werden auf mittlere Sicht keinen Gewinn schreiben. Im Fokus stehen Wachstum und Investitionen in unsere europäische Plattform“, so Folz.

“„Wir gehen dorthin, wo das Investorenumfeld für Technologie- und Wachstumsunternehmen am stärksten ist“ – der Chef der Solarisbank denkt an die Börsenplätze Amsterdam und London.”

Roland Folz

CEO

Beschleunigen könnte die Entwicklung der mögliche Börsengang. Dieser dürfte entgegen früherer Berichte klassisch verlaufen. „Grundsätzlich ist die Frage nicht entschieden, aber der klassische Weg über einen IPO bietet sich an“, erklärt Folz. „Dann haben wir die Notierung selbst in der Hand und sind nicht wie bei einem Spac von Dritten abhängig.“
Spac heißen in der Finanzwelt Börsenvehikel, die zu Jahresbeginn stark gehypt waren, nun jedoch von vielen Marktbeobachtern kritisch gesehen werden. Auch die Solarisbank hatte einen Börsengang per Spac erwogen.
Investmentbanken wurden bisher noch nicht mandatiert. Dies geschieht normalerweise rund ein halbes Jahr vor dem Börsengang, womöglich also im Frühjahr. Klar ist laut Folz aber, dass der Börsengang in Europa stattfindet – ein Listing in den USA ist aufgrund des fehlenden US-Geschäfts der Berliner kein Thema.

Schlechte Karten ür Frankfurt als Börsenplatz

Trotzdem hat Frankfurt eher schlechte Karten. „Wir gehen dorthin, wo das Investorenumfeld für Technologie- und Wachstumsunternehmen am stärksten ist“, sagt Folz. „In Europa ist das vor allem in Amsterdam und London der Fall. Wir suchen den bestmöglichen Zugang zu Investoren, die langfristig an der Wachstumsstory der Solarisbank partizipieren wollen.“
Folz steht seit 2017 an der Spitze der Solarisbank. Für den Zimmermannssohn aus Elchingen bei Neu-Ulm ist der Chefposten „ein Traumjob“, wie er sagt. Da der ältere Bruder den elterlichen Betrieb übernahm, durfte Folz studieren: Wirtschaftsmathematik in Ulm, Betriebswirtschaftslehre in Chicago. Seine Doktorarbeit behandelte das „Marketing von Vermögensanlage-Kunden im Privatkundengeschäft“, ein Thema mit Zukunft: Schon 1998 wurde Folz mit 34 Jahren Vorstand der Direkt-Anlage-Bank (DAB). Später arbeitete er für die Deutsche Bank . Bei der Solarisbank will der 57-Jährige noch eine ganze Weile bleiben.
Vor Kurzem hat die Solarisbank ihr neues Hauptquartier am Berliner Osthafen bezogen. 4120 Quadratmeter in einem an die Industriearchitektur der Jahrhundertwende angelehnten Neubau. Von den obersten Etagen hat man einen weiten Blick über die Spree und die Oberbaumbrücke hinweg auf Berlin. Gleich nebenan sitzt der Essenslieferdienst Lieferando.
Aktuell beschäftigt die Solarisbank vor allem die Integration des britischen Wettbewerbers Contis, den man im Sommer gekauft hat. Mit ihm soll es gelingen, in ganz Europa als führender „Banking-as- a-Service“-Dienstleister aufzutreten.
Die Zahl der Endkunden gebe man eigentlich nicht mehr gern bekannt, sagt Folz, „Aber wenn wir die regulatorischen Zustimmungen für den Kauf von Contis kriegen, dann sind wir in der Größenordnung von etwa fünf Millionen Endkundenkonten.“ Vor zwölf Monaten habe die Solarisbank rund 320
Mitarbeiter gehabt, nun seien es mit Contis 650 in acht Ländern: sieben europäischen sowie Indien. „Insofern haben wir uns enorm entwickelt.“
Dennoch bleibt noch viel zu tun: „Wir haben im Prinzip drei Lizenzen: eine deutsche Vollbanklizenz, eine litauische sowie eine englische E-Geld-Lizenz. Nun werden wir die Produkte, die wir unter diesen Lizenzen anbieten, Schritt für Schritt harmonisieren.“ Am Ende werde eine einheitliche Solaris- Plattform stehen.

Privatkunden unerwünscht

Privatkunden wolle die Solarisbank auch in Zukunft nicht werben. Bei den Firmenkunden hatten die Berliner zuletzt weniger Neukunden gewonnen, dafür große Fische. Ein Partner ist etwa der Elektronikkonzern Samsung , für dessen Zahlungsdienst Samsung Pay die Berliner die Infrastruktur stellen. 17 Millionen Nutzer von Samsung-Geräten hat die Solarisbank gezählt: eine stattliche potenzielle Kundenbasis. Weitere Partner sind unter anderem der Smartphone-Broker Trade Republic, Neobanken wie Nuri (ehemals Bitwala) und Vivid Money oder Online-Geschäftsbanken wie Penta und Kontist.
Viele der Kunden sind in den vergangenen Monaten und Jahren stark gewachsen – gut für die Solarisbank. Allerdings hat jede Partnerschaft der Berliner theoretisch ein Verfallsdatum. Sind die Kunden erfolgreich, könnten sie früher oder später nach einer eigenen Banklizenz streben, um die gesamte Wertschöpfung abzudecken: ein Thema, das etwa bei Nuri perspektivisch bereits diskutiert wird. Die Smartphone-Bank N26 ging einen ähnlichen Weg: Zunächst nutzte sie die Banklizenz der Wirecard , später beantragte N26 eine eigene.
„Die Solarisbank ist in ihrer Nische sehr erfolgreich“, lobte Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, die Entwicklung der erst 2016 gegründeten Bank. Um jedoch auch an der Börse attraktiv zu sein, fehle es noch an der nötigen Wachstumsstory.
„Das Dienstleistungsgeschäft, das die Solarisbank aktuell betreibt, ist solide und nicht sehr risikoreich. Fraglich ist jedoch, ob man damit die nötige Größe für den Kapitalmarkt aufbringt.“ Die Solarisbank müsse ihre Geschäftsbasis verbreitern, so Brühl, etwa durch mehr Kreditgeschäft.

Die Botschaft ist am Osthafen angekommen. „Im Kern unseres Angebots steht das Konto“, sagt Folz. Das sei dank effizienter Prozesse günstig. Bei Solaris habe man früh auf Technologie gesetzt, so sei das Kernbanksystem im Wesentlichen selbst entwickelt – „das erste länderübergreifende Kernbanksystem in Europa“. Die Folge: „Manchen Mitbewerber kostet der Betrieb eines Kontos pro Jahr über 65 Euro. Bei uns liegt der Wert deutlich unter einem Drittel“, so Folz. Binnen fünf Jahren

wolle man in Europa über 20 Millionen Konten anbieten, also eine Vervierfachung zum aktuellen Stand.
„Darauf aufbauend nutzen unsere Partner die Kartenangebote, Geldanlagen und Kreditprodukte“, referiert Folz. Schon Ende 2020 beantragte die Solarisbank als eine der ersten deutschen Banken eine Kryptoverwahrlizenz. Nun soll auch das Krypto-Brokerage wachsen. Außerdem bewirbt sich die Bank auf das 2,5 Millionen Karten schwere Portfolio von ADAC und Amazon , das nach dem Ausscheiden der Berliner Landesbank einen neuen Bankpartner sucht, wie das Portal Finanz- Szene.de berichtete. Von Folz gibt es dazu keinen Kommentar.
Ein weiterer Wachstumstreiber sei der Kreditbereich. „Kredite über 100.000 Euro sind nicht unser Schwerpunkt. Wir setzen auf automatisierte Verbraucherkredite“, so Folz, etwa unter dem Schlagwort „Buy now, pay later“.

N26 als „warnendes Beispiel“

Klar ist: Wenn die Partner wachsen und zusätzliche Endkunden akquirieren, ist das gut für die Skaleneffekte der Solarisbank. Doch es gibt auch ein Problem: Bei dubiosen Vorgängen ist die Solarisbank gegenüber der Finanzaufsicht Bafin allein in der Verantwortung. Sie trägt auch das Reputationsrisiko für Fehler der Partner.
Das kann etwa beim wichtigen Thema Geldwäschebekämpfung zum Problem werden. Das bekannteste deutsche Fintech, N26, hatte hier zuletzt große Probleme. Folz betont: „Ich habe keine Insides zu N26. Aber das, was jetzt in den Medien stand, ist für uns natürlich ein warnendes Beispiel.“
Bei der Solarisbank sei das Thema Compliance „vom Start weg mit die wichtigste Komponente“ gewesen. „Auch eine kleine Bank muss sich an alle Anforderungen halten. Und das ist gerade für ein junges Unternehmen natürlich eine enorme Herausforderung“, so Folz. „Man darf sich da nichts vormachen: Das verschlingt viele Ressourcen und bedarf der kontinuierlichen Verbesserung.“ Dennoch sei die Bekämpfung dunkler Geschäfte essenziell.
Dass auch die Solarisbank hier Schützenhilfe gebrauchen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2021: Neuerdings arbeiten die Berliner bei Geldwäschebekämpfung mit Feedzai aus Portugal zusammen. Die Firma hat besondere Werkzeuge zur Analyse großer Transaktionssummen im Angebot, etwa Künstliche-Intelligenz-Lösungen. Und auch intern wird aufgestockt. „Rund zehn Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten bereits im Compliance“, sagt Folz. Eine genaue Zahl will der CEO nicht nennen. Aber auch diese Abteilungen seien auf Wachstumskurs.

© 2020 Handelsblatt GmbH - ein Unternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co. KG
Verlags-Services für Werbung: www.iqm.de (Mediadaten) | Verlags-Services für Content: Content Sales Center | Sitemap | Archiv
Realisierung und Hosting der Finanzmarktinformationen: vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste GmbH | Verzögerung der Kursdaten: Deutsche Börse 15 Min., Nasdaq und NYSE 20 Min.